Die Sangspruchdichtung zeichnet sich durch besonders zahlreiche und vielf ltige Bezugnahmen auf andere Texte, Gattungen und Diskurse aus. In der Forschung wurde dies konstatiert, bisher aber nicht konsequent und umfassend untersucht. Die Studie analysiert die Funktionen und Implikationen intertextueller Referenzen in der Sangspruchdichtung exemplarisch am Sangspruchoeuvre des Kanzlers, eines in der Forschung bislang wenig beachteten Dichters des sp ten 13. Jahrhunderts. Sie zeigt, dass Intertextualit t ein zentrales Verfahren sangspruchdichterischer Textproduktion ist, das auf den prek ren Status der Gattung reagiert: Die Strophen referieren auf gattungsfremde, geltungsst rkere Texte und Diskurse, um an deren Autorit t zu partizipieren; zugleich arbeiten Referenzen auf die eigene Gattung deren Konsolidierung zu. Die der Sangspruchdichtung h ufig unterstellte Epigonalit t und Konventionalit t erweisen sich insofern nicht einfach als mangelnde Kreativit t, fehlende Originalit t oder dichterische Unf higkeit, sondern als Produkt bewusster Bestrebungen zur Konsolidierung einer eigenen Gattungstradition und berwindung ihres prek ren Status, an denen intertextuelle Verfahren zentral Anteil haben.